BRACHTEN DIE HUGENOTTEN DEN TABAK NACH SCHWEDT ?

Dieser Beitrag wird überarbeitet ! Er steht demnächst in einer aktualisierten Variante wieder zur Verfügung.

Achtung! Dieser Beitrag wird gerade überarbeitet !

Gleich vorweg - es ist unzweifelhaft, daß die Zuwanderung der Hugenotten dem nach dem 30-jährigen Krieg darnieder liegenden Preußen einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichte. Doch ist es strittig, welchen Anteil dem Import neuer Berufe oder der einfachen Bevölkerungszunahme zugeschrieben werden kann. Heutige Hugenottenprojekte verklären und glorifizieren dieses Zuwanderungskapitel sehr häufig um an europäische Fördertöpfe, sprich Geldquellen zu gelangen und sind daher kaum für eine realistische Meinungsbildung geeignet. Zusätzlich stellt sich die Frage, was der Einheimische mit den gleichen zugestandenen Privilegien der Hugenotten wie:


Bild 1 Überarbeiteter Text über die Anfänge des Tabakanbaus

mietfreies Wohnen

schuldenfreie Grundstücke

kostenloses Baumaterial

Befreiung von allen Steuern und Verpflichtungen, außer der Akzise

Anschubfinanzierungen für Handwerker und Kaufleute

eine partiell eigene Gerichtsbarkeit

besondere Kommissare als Ansprechpartner und staatlichen Schutz

u.a.




Bild 2 Richterstich 1741

ebenfalls hätte bewirken können. Neid und Mißgunst gegenüber den Neuankömmlingen waren daher in den besonders verarmten Landstrichen nur zu verständlich.
Der Einfluß einiger neuer Berufsgruppen mag für Preußen größer gewesen sein als für die Pfalz, aber im Wesentlichen provitierte man in der Landwirtschaft von neuen Techniken und neuem Gemüse wie Spargel oder Blumenkohl - und dem Tabak, der bisher teuer importiert werden mußte.
Doch waren die einwandernden Hugenotten nach dem Edikt von Potsdam von 1685 wirklich für dessen Anbau hier in Schwedt verantwortlich ?

Die klare Anwort ist “Nein”, denn der Anbau geht auf Befehle der Kurfürstin Dorothea zurück.

Der Barnimer Kreishistoriker Rudolf Schmidt datiert interessanterweise den Tabakanbau in der Uckermark bereits auf das Ende des 16. Jahrhunderts. Nachweise fehlen allerdings.
Die blose Anwesenheit der Hugenotten ab 1685 und die somit vermuteten Kenntnisse des Tabakanbaues veranlaßten die Kurfürstin Dorothea aus rein wirtschaftlichen Gründen, den Anbau des Tabaks um Schwedt und Vierraden in einem Großversuch anzuordnen. Im März 1686 warb die Kurfürstin den holländischen Tabakpflanzer Cornelius von Couverden für Schwedt an, der unsere Stadt nach 2 Jahren und ohne Erfolg wieder verließ. Zu dieser Zeit können für Schwedt noch nicht einmal hugenottische Einwanderer nachgewiesen werden, auch wenn bereits ab 1686 Hugenotten in der Uckermark Erwähnung finden. Die ersten urkundlichen Nachweise für Schwedt findet man aus Anlaß einer Trauung und einer Taufe aus den Jahren 1688 und 1689. Man kann aber von ersten Kolonisten um 1686 ausgehen, welche auch in anderen unsicheren Quellen sogar namentlich genannt werden. Meistens handelte es sich bei den brandenburg-preußischen Hugenotten um Zuzügler aus der Pfalz, die auf Grund von Anfeindungen durch Einheimische wegen ihrer Previlegien in eine neue Kolonie übersiedelten.
Ab 1688 sorgte Dorothea erneut für einen größeren Pflanzversuch. Dazu bekamen die Hugenotten das Gelände außerhalb der Stadt zwischen heutiger Auguststraße und Krankenhaus (späteres Tabakscheunenviertel siehe *1) und ein Gelände vor dem Vierradener Tor (siehe *1), sowie erste teuer importierte Tabakpflanzen, die zur Zucht dienten.
Das preußische Königshaus schenkte später einigen französischen Kolonisten in Schwedt sogar 13 Ackerstücke *2 am Heinersdorfer Damm (Nr. 2 im Bild soll nur auf den Heinersdorfer Damm hinweisen, denn es handelt sich mit großer Wahrscheinlichkeit um das mit Nr. 4 bezeichnete Areal), die später "französische Gärten" (*1) genannt wurden. Diese Schenkung ist in Schriften und Archiven auf das Jahr 1696 datiert. *3 Bereits 1685 hatte die Kurfürstin das Gelände für 100 Taler erworben.
Tabaklieferungen aus der Uckermark sind zwar ab 1687 belegbar, aber nicht für Schwedt. Erst 1698 sind regelmäßige Kontakte mit einem Vorkaufsrecht eines Hamburger Geschäftmannes zu den 13 hiesigen französischen Tabakpflanzern verbrieft. Das schließt natürlich bereits frühere Lieferungen nicht aus, zumal die Anzahl der Pflanzer schon beachtlich war und weitere auch in der Umgebung aktiv waren. Aber die übereinstimmenden Zahlen von 13 Ackerstücken und 13 Planteuren, sowie die Schenkung 1696 und die Lieferungen 1698 lassen diesen Ablauf plausibel erscheinen. Bis dahin mußten die Tabakpflanzen durch die bereits erwähnte Zucht an das hiesige Klima angepaßt werden.
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts konnte der Tabakanbau durch die speziellen Kenntnissen und Erfahrungen der französischen Einwanderer intensiviert werden und die Tabakscheunen schossen ab 1750 wie Pilze aus dem Boden.
Erst diese angeordneten Maßnahmen, mit gezielter Unterstützung durch das preußische Königshaus, versetzte die Hugenotten in die Lage, sich dieser in Norddeutschland neuen Branche zu widmen und reichlich Kapital in den folgenden Jahren daraus zu schlagen. Sehr zum Neid der deutschen Bevölkerung, der oftmals nur die niedere Arbeit in den Manufakturen und späteren Fabriken zu Hungerlöhnen blieb.
Das Märchen vom Aufschwung Schwedt’s durch den von den Hugenotten eingeführten Tabakanbau ist also anders, als man uns Glauben machen möchte.

(überarbeitete 3. Auflage vom 30.01.2009 DS)


Bild 3 Luftbild 30-er Jahre

Erläuterungen:

*1 Über die Lage der "französischen Gärten" gibt es unterschiedliche Auffassungen. Laut dem allg. bekannten "Richterstich" vermutete man sie bisher direkt vor dem Vierradener Tor - 1 in Bild 2 und Bild 3 & 4 - (heute die Th.-Neubauer-Straße zwischen den Parkplätzen bei Kaufland und dem Rathaus 2). Andere Quellen sprechen wie von mir zitiert vom Heinersdorfer Damm - 2 & 4 in Bild 3 & 4 . Weitere Erwähnungen in Schriften können zur Auflösung wenig beitragen, verwirren gar noch mehr. Eine Auswertung verschiedener alter Stadtpläne erhärtet allerdings eine Vermutung, daß diese Flurstücke in der Mitte der 2 genannten Punkte gelegen haben könnten. So befanden sich am westlichen Stadtrand, neben den Tabakscheunen, die von der ehem. Prenzlauer Straße in Richtung Lindenallee standen - 3 in Bild 3 & 4 - (heute Hochhaus am ehem. Dreiklang und Schulen mit Sportplatz), einige markante Flurstücke. Ergänzend dazu gibt es eine ungenaue Aussage, daß Gelände der ehem. französischen Gemeinde in der Zeit der Industrialisierung - bedeutend mit dem Ausbau der Stadt - gegen andere Flurstücke eingetauscht wurde und darauf ein Sportplatz errichtet wurde. Dies würde eine Annahme, daß sich der Standort der ehem. "französischen Gärten" im Bereich Hochhaus und Sportplatz am Dreiklang befand bekräftigen, sofern es sich um das Gebiet der ehem. "franz. Gärten" gehandelt hat.

*2 In einer Ausarbeitung des Hugenottenparkprojektes ist von 11 Gärten die Rede, welche mit den Gärten des Predigers und des Pastors wieder 13 ergeben. Diese sollen die ersten Einwanderer bereits um 1686/87 erhalten haben und sich innerhalb des Stadtgebietes befunden haben. 1691 wurden sie dann vor die Stadt verlegt.
Diese Aussage sieht sehr nach einer einfachen Übernahme von Daten ohne eigene Schlußfolgerungen aus. Wo sollen sich im engen begrenzten Stadtgebiet größere Ländereien befunden haben? Solche waren nur auf dem Gelände der Markgräflichen Gärten auf der Schloßfreiheit möglich oder es handelte sich zuerst nur um wenige oder kleinere Parzellen, wie z.B. die 2 Gärten des Pastors und Predigers. Dort, wo sich heute der Berlischkypavillon (ehem. Kirche der franz. Kirchengemeinde) befindet, stand auch das Predigerhaus in unmittelbarer Nähe. Später unter den Markgrafen beherbergte dieses Areal die markgräflichen Kräuter- und Gemüsegärten. Daß man von dort Land für den Prediger und Pastor "abzweigte" erscheint schlußfolgernd als möglich. Mehr (weitere 11 Parzellen) dürfte an dieser Stelle allerdings kaum möglich gewesen sein, schon garnicht für niedere Bürger/Stände.
Unstrittig ist auch, daß das Gelände (3 oder 4) vor der Stadt bereits 1685 für 100 Taler von der Kurfürstin erworben wurde wie bereits erwähnt. Warum sollten die Gärten dann erst innerhalb der Stadtmauern gelegen haben? Möglich, daß die Kurfürstin das Gebiet nicht für einen speziellen Zweck erworben hatte. War es vielleicht das vom holländischen Tabakzüchter Couverden genutzte Areal, welches später geteilt und den Planteuren geschenkt wurde ?

*3 Die Schenkung wird auch für 1686 datiert. Es muß sich irgendwann entweder ein Druckfehler oder ein Interpretationsfehler in verschiedenen Chroniken eingeschlichen haben. Ich habe in meiner kleinen Ausarbeitung versucht, die Fakten sinnvoll aneinanderzureihen und nicht stur zu übernehmen. Ein Beispiel - macht es wirklich Sinn, wenn gerade 1686 ein holländischer Tabakpflanzer für 2 Jahre bestellt wurde, die Hugenotten gleichzeitig mit Land zu bedienen ? Für den Anbau für Gemüse vielleicht ja, für den Tabakanbau nein. Verwechselt man vielleicht eine Nutzung von Pachtland mit einer späteren Schenkung? Es macht doch Sinn, daß man sein Eigentum behält solange nicht feststeht, ob Tabak in dieser Region überhaupt gedeit. Nachdem eine Anpassung der Planzen erfolgtreich war, konnte man voll in den Tabakanbau einsteigen und dann wäre auch die Zeit für eine Überlassung des Ackerlandes reif.


Bild 4 Luftbild 90-er Jahre copyright unbekannt



Mögliche Lage der franz. Gärten Ich persönlich tendiere eher dazu, daß das in den Bildern 3 & 4 und in der linken Grafik mit Nummer 4 benannte Gebiet (ehem. Tabakscheunenviertel - heute Auguststraße/ Heinersdorfer Str./ Robert-Koch-Str./ Marchlewskiring) die "französischen Gärten" verkörpern könnte. Die quadratische Anordnung der Häuser und Scheunen um das Ackerland herum und die Größe des Areals lassen darauf schließen. Auch beginnt an diesem Areal der Heinersdorfer Damm (siehe obige Bemerkung). In überlieferten Reisebeschreibungen wird zwar geschildert, daß man zum Betreten der Stadt von Westen durch das Vierradener Tor die "französischen Gärten" durchqueren mußte, jedoch bedeutet das nicht zwangsweise, daß die Gärten direkt vor dem Vierradener Tor gelegen haben müssen. Bedenkt man, daß um 1700 das Gelände der ehem. Prenzlauer Straße noch unbebaut war (die blaue Strichellinie folgt der Stadtmauer nach 1740), so führte der Weg vom Heinersdorfer Damm kommend, westlich an der Stadt vorbei (durch die mit 3 und 4 bezeichneten Lagemöglichkeiten der franz. Gärten) zum Vierradener Tor. Man kann auf dieser Grafik deutlich erkennen, wie der Weg (damals von Prenzlau kommend) durch die franz. Gärten führen konnte, ohne daß sich diese direkt vor dem Vierradener Tor befinden mußten.


Quellen:  Stadtmuseum Schwedt
Festschrift zur 725-Jahr-Feier 1990
Festschrift zur 740-Jahr-Feier 2005
Schwedter Jahresblätter 1983 und 1990
www.preussen-chronik.de
www.wikipedia.de
www.hugenottenkabinett.de
u.a. 
zum Anfang